Reutlingen-Reicheneck
Eine Besonderheit, die Historiker immer noch rätseln lässt: Jahrhundertelang und bis zur Gründung des Königreichs Württemberg war das Dorf Reicheneck von Steuerzahlungen befreit. Der Sage nach war dies ein Geschenk des Herzogs Ulrich, um seine Dankbarkeit zu zeigen. Er soll nach seinem vereitelten Überfall auf Reutlingen im Jahr 1519 auf der Flucht in Reicheneck als Bauernknecht untergetaucht sein. Reicheneck hat seine Turn- und Festhalle nach dem Herzog benannt.
Reicheneck war immer überschaubar. Ursprünglich standen hier eine Burg und vier Höfe. Bis 1509 erwarb das Klarissenkloster Pfullingen nach und nach Land und Höfe und somit die Grundherrschaft des ganzen Weilers. Aber diese war von kurzer Dauer. Nach der Reformation übernahm Württemberg die Klostergüter. Damals gab es auch noch Weingärten. Heute steht die Kelter nicht mehr, ebensowenig wie die Zehntscheuer, in der einst die Naturalabgaben der Reichenecker Bauern gesammelt wurden. Auch an Reichenecks Burg erinnert heute nur noch ein Straßenname: Am Burggraben. Nur eine Spur der einstigen klösterlichen Grundherrschaft lässt sich noch finden: Dort, wo früher der Seebach als Fischteich aufgestaut war, befindet sich heute eine Erdaufschüttung.
Die Eingemeindung nach Reutlingen wurde von mehr als neunzig Prozent der Einwohner befürwortet. Damit änderte sich allmählich der Ortscharakter. Neubürger wurden freundlich aufgenommen. In den darauffolgenden Jahrzehnten hat sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt. Viele Vereine wurden neu gegründet.