Reutlingen-Degerschlacht
Eine fast vier Meter große Eule aus Holz steht in der Ortsmitte von Degerschlacht. Die Einwohner von Degerschlacht werden auch als Eulen bezeichnet – vielleicht, weil die Kleinbauern im 19. Jahrhundert tagsüber in Reutlingen zur Arbeit gingen und nachts daheim ihre Felder bestellten. Die Degerschlachter tragen ihren Spitznamen auf jeden Fall mit Stolz –schließlich gelten Eulen als Tiere der Weisheit. Trotz der Nähe zu Reutlingen hat Degerschlacht bis ins Jahr 1938 zum Oberamt Tübingen gehört – Auswirkungen eines Vertrags fünfhundert Jahre früher, als ein vermögender Reutlinger Bürger die Ortsherrschaft im Dorf und in den Nachbargemeinden an das Haus Württemberg verkaufte. Zwischen Degerschlacht, Sickenhausen und Rommelsbach auf der einen und Wannweil und Reutlingen auf der anderen Seite verlief die Grenze zwischen reichsstädtischem und landesherrlichem Gebiet. Zum Kirchenbesuch mussten die Dorfbewohner bis ins späte 17. Jahrhundert nach Reutlingen gehen, also ins benachbarte Ausland. Geheiratet wurde bis in die 1930er Jahre übrigens in Schwarz. Das Hochzeitskleid wurde dann jeden Sonntag beim Kirchgang getragen. Im 19. und auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wanderten viele Einwohner nach Amerika oder nach Bessarabien aus, um Hunger, Armut und politischen Auseinandersetzungen zu entfliehen. Die Eingemeindung in die Stadt Reutlingen 1972 erleichtete den Bau einer Turn- und Festhalle, die Sicherstellung der Wasserversorgung und die Erschließung von Baugebieten.