Dettingen an der Erms
Die elegante Stiftskirche mit ihrem schlanken Turm, das heute als Rathaus genutzte »Schlössle«, die Alte Schule, das Bürgerhaus am Anger, einst ebenfalls ein stattlicher Schulhausbau – Dettingens Ortsmitte ist ein bisschen prächtiger, als es in einem bescheidenen schwäbischen Dorf zu vermuten wäre. Über ihre bäuerlichen Ursprünge ist die Gemeinde im Ermstal aber auch längst hinausgewachsen.
Obwohl Dettingen die längste Zeit seiner Geschichte kein Herrensitz war: Herrschaft ganz unterschiedlicher Prägung hat hier ihre Spuren hinterlassen. Zum Beispiel das Kloster Zwiefalten, das in diesem klimatisch begünstigten Dorf mit seinen Obstbaumwiesen und Weinbergen noch bis ins 18. Jahrhundert reichen Besitz hatte. Der Zwiefalter Hof, früherer Pfleghof des Klosters, hat sich als außergewöhnlich schöner Fachwerkbau aus dem späten 16. Jahrhundert bis heute erhalten. Aber auch die weltliche Herrschaft baute in Dettingen. Württembergs Graf Eberhard im Bart hatte die Ordensgemeinschaft der Brüder vom gemeinsamen Leben ins Land geholt. Für sie wurde von Baumeister Peter von Koblenz ein Stiftsgebäude errichtet, das spätere »Schlössle«, ein repräsentativer Bau, der später als württembergisches Lehen durch mehrere adelige Hände ging. In dieses herrschaftliche Zentrum fügt sich das 1864 im spätgotischen Stil erneuerte dreigliedrige Schiff der Dettinger Kirche harmonisch ein. Heute hat Dettingen ein ruhiges Zentrum: Seit 1990 führt die B 28 nicht mehr mitten durch den Ort.
Die Nähe zum württembergischen Urach hat Dettingen in der Vergangenheit nicht nur Vorteile gebracht. 1377 geriet der Ort in Brand, wurde zum Opfer, weil aufgebrachte Reutlinger Reichsstädter nach ihrem erfolglosen Sturm auf Urach hier vorbeizogen. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde um das Dorf gekämpft. 88 namentlich bekannte Tote einer Schlacht am 12. November 1634 notierte der damalige Pfarrer in den Dettinger Kirchenbüchern, die zu den ältesten gehören, die in Württemberg erhalten geblieben sind. Die wohl mehr als tausend Seuchentoten des Folgejahres wurden nicht mehr alle verzeichnet.
Die Erms wurde im 19. Jahrhundert zum entscheidendem Standortfaktor. Die Wagenfabrik Adam Daumüller, die 1860 ermsaufwärts gebaute Papierfabrik zum Bruderhaus des Reutlinger Sozialreformers Gustav Werner, die wenige Jahre später errichtete Spinnerei und Weberei G. M. Eisenlohr: Mit diesen Fabriken begann in Dettingen die Industrialisierung.
Die Papierfabrik ist inzwischen Teil eines skandinavischen Weltkonzerns, und aus dem denkmalgeschützten Gebäude der Eisenlohr’schen Weberei, in dem im späten 19. Jahrhundert Hunderte von Webstühlen standen, ist ein ambitioniertes Wohnungs- und Städtebauprojekt geworden. Die Industrie hat sich heute im Ermstal weit ausgedehnt. Seit 1964 ist Dettingen Unternehmenssitz der ElringKlinger AG. Der Automobilzulieferer beschäftigt 10000 Mitarbeiter weltweit, fast ein Viertel davon in Dettingen. Beim Zweigwerk des Weltkonzerns Voestalpine, der seinen Sitz in Linz hat, arbeiten rund 900 Arbeiter und Angestellte. Seit 1950 hat sich die Einwohnerzahl verdoppelt.